Barrierefreiheit Checklist: So erstellen Sie eine umfassende Prüfliste
Warum eine Barrierefreiheit-Checklist unverzichtbar ist
Eine strukturierte Checklist für digitale Barrierefreiheit ist ein wertvolles Instrument für Unternehmen, um systematisch alle relevanten Aspekte der Barrierefreiheit zu überprüfen. Sie hilft dabei, keine wichtigen Kriterien zu übersehen und dient gleichzeitig als Dokumentation für den Nachweis der BFSG-Konformität.
In diesem Leitfaden erfahren Sie, wie Sie eine maßgeschneiderte Barrierefreiheit-Checklist erstellen können, die auf die spezifischen Anforderungen Ihres Unternehmens zugeschnitten ist.
Die Grundstruktur einer effektiven Barrierefreiheit-Checklist
Eine gut aufgebaute Checklist sollte folgende Elemente enthalten:
1. Kategorisierung nach WCAG-Prinzipien
Strukturieren Sie Ihre Checklist nach den vier WCAG-Grundprinzipien:
- Wahrnehmbar: Inhalte müssen für alle Sinne wahrnehmbar sein
- Bedienbar: Navigation und Interaktion müssen für alle nutzbar sein
- Verständlich: Inhalte und Bedienung müssen verständlich sein
- Robust: Inhalte müssen mit aktuellen und zukünftigen Technologien kompatibel sein
2. Prüfelemente mit klaren Ja/Nein-Kriterien
Formulieren Sie konkrete Prüffragen, die eindeutig mit Ja oder Nein beantwortet werden können, z.B.:
- "Haben alle Bilder einen aussagekräftigen Alt-Text?"
- "Sind alle Funktionen per Tastatur bedienbar?"
- "Hat Text einen ausreichenden Kontrast zum Hintergrund?"
3. Bezug zu WCAG-Kriterien und Konformitätsstufen
Ordnen Sie jedes Prüfelement dem entsprechenden WCAG-Kriterium und der Konformitätsstufe (A, AA, AAA) zu, z.B.:
- "Alt-Texte für Bilder (WCAG 1.1.1, Stufe A)"
- "Farbkontrast für Text (WCAG 1.4.3, Stufe AA)"
4. Dokumentationsmöglichkeiten
Fügen Sie Felder für folgende Informationen hinzu:
- Ergebnis der Prüfung (erfüllt/nicht erfüllt/nicht anwendbar)
- Anmerkungen und Beobachtungen
- Betroffene Seiten oder Komponenten
- Vorschläge zur Behebung
- Verantwortliche Person
- Datum der geplanten Behebung
Wesentliche Prüfbereiche für Ihre Barrierefreiheit-Checklist
1. Wahrnehmbarkeit
- Bilder und Grafiken
- Alternative Texte für alle Bilder
- Komplexe Grafiken mit ausführlichen Beschreibungen
- Dekorative Bilder als solche gekennzeichnet
- Text auf Bildern vermeiden oder Alternativen bereitstellen
- Multimedia-Inhalte
- Videos mit Untertiteln
- Audiodeskription für wichtige visuelle Inhalte
- Transkripte für Audio-Inhalte
- Steuerelemente für Mediaplayer zugänglich
- Text und Kontrast
- Kontrastverhältnis von mindestens 4,5:1 für normalen Text
- Kontrastverhältnis von mindestens 3:1 für großen Text
- Keine reinen Farben zur Informationsvermittlung
- Text statt Bilder von Text verwenden
- Layoutanpassung
- Inhalte bei 200% Zoom nutzbar
- Responsives Design für verschiedene Bildschirmgrößen
- Keine horizontale Scrollleiste bei 320px Breite
- Textdarstellung in verschiedenen Layouts möglich
2. Bedienbarkeit
- Tastaturzugänglichkeit
- Alle Funktionen mit Tastatur bedienbar
- Keine Tastaturfallen
- Sichtbarer Fokusindikator
- Logische Tabulator-Reihenfolge
- Navigation und Orientierung
- Skip-Links für Hauptinhalt
- Konsistente Navigation
- Breadcrumb-Navigation
- Aussagekräftige Seitentitel
- Beschreibende Linktexte
- Zeitliche Begrenzungen
- Ausreichend Zeit für Aktionen
- Pausier-, Stop- oder Verlängerungsmöglichkeiten
- Keine ablenkenden Animationen
- Warnung vor Sitzungsablauf mit Verlängerungsoption
3. Verständlichkeit
- Sprache und Lesbarkeit
- Sprachattribut im HTML-Element gesetzt
- Sprachwechsel im Dokument gekennzeichnet
- Klare, verständliche Sprache
- Abkürzungen erklärt oder markiert
- Navigation und Vorhersehbarkeit
- Konsistente Navigationsstruktur
- Keine unerwarteten Kontextwechsel bei Fokus
- Keine unerwarteten Kontextwechsel bei Eingabe
- Konsistente Identifikation von Funktionen
- Formulare und Eingabehilfen
- Beschriftung aller Formularfelder
- Klare Fehlermeldungen
- Fehlervermeidung bei wichtigen Transaktionen
- Hilfetexte und Anleitungen
4. Robustheit
- Technische Kompatibilität
- Valides HTML
- Korrekte Verwendung von ARIA
- Name, Rolle und Wert für alle UI-Komponenten
- Kompatibilität mit verschiedenen Browsern und assistierenden Technologien
- Spezielle Formate
- Barrierefreie PDF-Dokumente
- Zugängliche Office-Dokumente
- Struktur in komplexen Dateiformaten
Tipps zur Erstellung und Anwendung Ihrer Checklist
1. Priorisierung nach Relevanz
Ordnen Sie die Prüfpunkte nach ihrer Wichtigkeit für Ihr spezifisches Angebot:
- Kritisch: Muss sofort behoben werden
- Wichtig: Sollte zeitnah behoben werden
- Normal: Sollte im Rahmen regulärer Updates behoben werden
2. Anpassung an verschiedene Anwendungsfälle
Erstellen Sie spezialisierte Versionen für unterschiedliche Anwendungsbereiche:
- Checklist für Content-Redakteure
- Checklist für Entwickler
- Checklist für Designer
- Checklist für Qualitätssicherung
3. Regelmäßige Aktualisierung
Halten Sie Ihre Checklist auf dem neuesten Stand:
- Aktualisierung bei WCAG-Versionswechsel
- Integration neuer rechtlicher Anforderungen
- Ergänzung basierend auf Nutzerfeedback
- Anpassung an technologische Entwicklungen
4. Dokumentation des Fortschritts
Nutzen Sie die Checklist als Fortschrittsanzeige:
- Festhalten des aktuellen Erfüllungsgrades
- Tracking von Verbesserungen über Zeit
- Identifikation wiederkehrender Probleme
- Nachweis der kontinuierlichen Verbesserung
Fazit
Eine gut strukturierte Barrierefreiheit-Checklist ist ein unverzichtbares Werkzeug für die systematische Überprüfung und Verbesserung der digitalen Zugänglichkeit. Sie hilft nicht nur dabei, die gesetzlichen Anforderungen des BFSG zu erfüllen, sondern trägt auch zu einer besseren Nutzererfahrung für alle bei. Durch regelmäßige Anwendung und Aktualisierung wird sie zu einem lebenden Dokument, das die kontinuierliche Verbesserung der Barrierefreiheit Ihrer digitalen Angebote unterstützt.
Benötigen Sie Unterstützung bei der Erstellung einer maßgeschneiderten Barrierefreiheit-Checklist für Ihr Unternehmen? Unser Expertenteam steht Ihnen mit umfassendem Know-how und praxiserprobten Vorlagen zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung.
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